... aus der Geschichte der CPG

Sonderdruck anlässlich des 100-jährigen Bestehens (von 1969)

von E. Broda, B.Karlik und K. Lintner

Es steht zwar fest, daß die CPG in Wien im Jahre 1869 von dem Chemiker Heinrich Hlasivetz und den Physikern Josef Stefan, Josef Loschmidt und Josef Petzval gegründet wurde, doch gibt es über die ersten 10 Jahre des Vereins keine Aufzeichnungen mehr. Angeblich sind diese in den Wirren zu Ende des Ersten Weltkrieges verloren gegangen. Im Vereinsbüro der Wiener Polizei kann man aber immerhin die Namen der Funktionäre seit 1879 erfahren - in welchem anderen Land, so fragt man sich wohl, besteht solche Kontinuität?
Der Kärntner Stefan war ein weltberühmter Vorkämpfer der Maxwell'schen elektromagnetischen Feldtheorie und hat das "Stefan-Boltzmann´sche" Strahlungsgesetz experimentell aufgefunden. Petzval war ein hervorragender Fachmann für geometrische Optik. Loschmidt ist in die Geschichte als der erste Wissenschafter eingegangen, der den Mut hatte, durch eine Abschätzung der Größe der Atome eine zahlenmäßige Verbindung zwischen Makro- und Mikrowelt herzustellen. Übrigens finden sich schöne Nachrufe auf die liebeswerten Persönlichkeiten Stefan und Loschmidt in Boltzmanns "Populäre Schriften".
Die Präsidenten des Vereins wurden stets auf ein Jahr gewählt. Unter den ersten Präsidenten, deren Namen erhalten geblieben sind, befinden sich Physiker wie Ludwig Boltzmann und Ernst Mach und Chemiker wie der Organiker Adolf von Lieben, der Photochemiker Josef Eder und der Mitbegründer der physikalischen Chemie Rudolf  Wegscheider. Man kann wohl sagen, daß früher oder später jeder bedeutende Physiker oder Chemiker, dem die Beziehungen zwischen diesen beiden Gebieten wichtig waren, Präsident des Vereines war. Doch finden wir unter den Präsidenten auch Biologen, wie den Physiologen Siegmund Exner und den Botaniker Julius von Wiesner. Vielfach wurden auch Vorträge gehalten, durch die die Beziehungen zwischen Physik, Chemie und Biologie betont wurden. Beispielsweise brachte Hans Horst Meyer (1909) physikalisch-chemische Überlegungen über Zellgifte und Hans Molisch sprach 1911 über leuchtende Pflanzen. Diese Beziehung ist - manchmal stärker, manchmal weniger stark - bis heute lebendig geblieben.
Ursprünglich war die Regel, daß in Wien wirkende Wissenschafter Vorträge hielten, doch wurden später auch auswärtige Vortragende eingeladen, wie etwa aus dem Bereich der Monarchie Lampa aus Prag, von Hevesy aus Budapest und von Smoluchowski aus Lemberg. Kurzberichte über die Vortäge wurden vor dem Ersten Weltkrieg in den damaligen "Vierteljahrsberichten des Wiener Vereins zur Förderung des physikalishcen und chemischen Unterichtes" gedruckt.
Unter den vielen Vortägen der älteren Zeit finden sich:
Arnold Durig (1901) "Über osmotische Vorgänge in der Tierhaut"
Gustav Jäger (1902) "Über die Elektronentheorie"
Egon von Schweidler (1902) " Über die Entwicklung des Ionenbegriffs"
Fritz Hasenöhrl (1904) "Über den Druck des Lichtes"
Stefan Meyer (1906) "Über die neueren Ergebnisse und Methoden der radioaktiven Forschung"
J. H: Van t´Hoff (1906) "Über die Einteilung der allgemeinen Chemie"
Karl Przibram (1906) "Über die Kondensation von Dämpfen in ionisierten Gasen"
Unter den weiteren Vortragenden der früheren Zeit seien Hess, Hönigschmid, Mache, Molisch, Paneth und Pregl genannt - eine wahre Galaxis von Talent und Genie. Interessant ist, daß schon 1909 (durch Philipp Frank) über die Relativitätstheorie und 1916 (durch Samuel Oppenheim) über die Gravitationstheorie Einsteins berichtet wurde.
Leider ist die Übung fast verloren gegangen, bei den Vorträgen auch Experimente vorzuzeigen. Einmal wurde sogar bei einem Vortrag von Arthur Haas über die "Grundlagen der antiken Physik" (1909) eine Demonstration des autogenen Schweißens durchgeführt.